Warum will’s der Michi wissen?

stimmzettel_faecherÜber die Entstehungsgeschichte der Wiener Volksbefragung 2013 und warum die Fragen so sind wie sie sind.
Begonnen hatte alles mit dem Parkpickerl. Die Wiener Grünen Chefin Maria Vassilakou wollte in ihrer Eigenschaft als frisch gekürte Verkehrsstadträtin beweisen, dass sich ihre Partei auch in einer Regierung von den anderen unterscheidet – Umsetzen statt mühsamer Kompromissarbeit, die nur allzu oft den Beigeschmack der Packelei bekommt, hieß die Devise. Gleichzeitig dürften die roten Genossen den Verlust der Alleinregierung noch nicht ganz verinnerlicht gehabt haben, denn entgegen dem eindeutigen Willen der SPÖ-Basis, schaffte es Vassilakou den Bürgermeister auf ihre Linie zu bringen.

Dann geschah etwas, mit dem wirklich niemand gerechnet hatte. Die Wiener ÖVP schaffte eine Mobilisierung gegen dieses Parkpickerl, die sich gewaschen hatte. Über 10% der Wahlberechtigten unterschrieben gegen die geplante Form der Parkraumbewirtschaftung – in Relation mit österreichweiten Volksbegehren würde das 633.000 Unterschriften entsprechen und damit Platz 9 in der ewigen Bestenliste. Das Thema wanderte plötzlich von den Chronik- auf die Innenpolitikseiten der Zeitungen und Vassilakou, Chefin der Wiener Abteilung ausgerechnet jener Partei, die sich seit ihrer Gründung die direkte Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben hatte, stand plötzlich in dem Dilemma, die von der ÖVP geforderte Volksbefragung zum Parkpickerl ablehnen zu müssen, weil eine Mehrheit in ihrem Sinne angesichts dieser Dynamik unmöglich schien.

Wie lehnt man es nun aber ab, eine Volksbefragung auf Begehren so vieler Bürgerinnen und Bürger durchzuführen? Keine einfache Aufgabe, wie sich herausstellte. Nach monatelangen Überlegungen einigte sich die rot-grüne Koalition darauf, das Verbot von Volksabstimmungen über Gebühren zur Argumentationslinie zu machen. Eine besonders  schwache Grundlage übrigens, weil sich die Unterschriften der ÖVP nicht gegen die Parkgebühr, sondern vielmehr gegen die Begrenzung der Parkzeit richteten, welche ja problemlos auch ohne Gebühr möglich ist. Um von dieser schwachen Begründung abzulenken, grub Häupl tief in der Trickkiste der Wiener SPÖ und verkündete freudestrahlend, dass man eh eine Volksbefragung abhalten werde, die auch die Parksituation behandelt. Es war also alles wieder gut – die Wiener ÖVP bekam was sie wollte und die Medien, (zumindest die Printmedien) allesamt stillschweigende Profiteure der Marketingwut der Wiener Stadtregierung, waren zufrieden. Einen kleinen Pferdefuß hatte die Sache allerdings: Die Fragen für diese Volksbefragung, die müsse man sich noch in Ruhe überlegen, so Häupl.

Er hat lange überlegt, der Herr Bürgermeister, denn als er seine Fragen schließlich präsentierte, war das Parkpickerl bereits in allen betroffenen Bezirken eingeführt. Eigentlich hätte er die Befragung zu diesem Zeitpunkt schon wieder abblasen können, aber ein gewiefter roter Taktiker erkennt eine Chance, wenn sie sich ihm bietet. Aus einem grünen PR-Debakel aus dem Verkehrsressort machte er nun eine rote Mobilisierungskampagne gegen die Privatisierung von städtischen Betrieben. Nicht dass die irgendwer gefordert hätte oder sie sonst irgendwie Thema der innenpolitischen Auseinandersetzung gewesen wäre, aber spätestens seit dem Hollywoodklassiker „Wag the dog“ weiß jeder Hobbyparteistratege: Wenn Du ein Problem nicht lösen kannst, erfinde ein neues und löse dann dieses.

Weil das Thema Privatisierung zwar gut für die Parteibasis ist, den Redaktionen aber nicht genug Stoff bietet, weil sich ja niemand findet, der eine Gegenposition einnehmen würde, musste noch schnell etwas titelseitentaugliches her. „Soll sich die Stadt um die Austragung der olympischen Sommerspiele 2028 bemühen?“ – Perfekt!

Die Parksituation wurde übrigens wie versprochen Teil der Volksbefragung: „Wie soll die Parkplatzsituation und Lebensqualität für BezirksbewohnerInnen verbessert werden?“ lautet die scheinheilige Frage. Die Antwortmöglichkeiten demaskieren dieses pseudodemokratische Ablenkungsmanöver vollends: „A. für jeden Bezirk oder B. für einzelne Bezirke“.
?lesen Sie dazu auch:
zur Frage 1: Soll sich beim Parkpickerl in allen Bezirken nichts ändern?
zur Frage 2: Kostet dabei sein alles?
zur Frage 3: Soll ich Sie vor dem Verdursten/Erfrieren/Verbluten retten?
zur Frage 4: Wer schützt Solarkraftwerke vor der Privatisierung?