Die Kurzsichtigkeit des Brexit

Unlängst war ich zu Gast im Außenministerium bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel “Strattalk – Bye, Bye, Britain”. Am nächsten Tag im EU-Hauptausschuss ging es dann wieder um den möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU und die Entwicklung der Union.

In letzter Zeit hört und liest man oft davon, dass die EU gerade scheitert, oder schon gescheitert ist. Alle Länder denken nur mehr an sich, es scheint keine Idee für eine neue, gemeinsame Zukunft mehr zu geben, jeder befindet sich in einer Abwehrhaltung gegen die anderen. In einer Zeit, die als so unsicher wahrgenommen wird, beschränken sich alle darauf, ihre eigenen Benefits mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Rosinen picken ist die oberste europapolitische Maxime.

Brexit TitelDabei ist es in der EU wie in jeder Familie oder jeder Partnerschaft: Wenn jeder nur auf sich schaut, kommt es unweigerlich zur Scheidung. “Auch gut”, sagen einige und zucken mit den Achseln. Ich nicht! Denn nur wenn sie Partnerschaften eingehen, können Menschen über sich hinaus wachsen und auch Staaten müssen ihre Verantwortung und damit auch ihre Souveränität teilen, um nicht zum Spielball der anderen, der stärkeren zu werden und damit ihre Souveränität in noch viel größerem Ausmaß zu verlieren.

Gerade angesichts der außer-europäischen Bedrohungen – dem islamischen Terrorismus , aber auch der ökonomischen Bedrohung aus Asien – brauchen wir gemeinsame Ziele. Diese Bedrohungen zu meistern und dabei den Wohlstand unserer europäischen Bevölkerung zu sichern, das gelingt keinem Land alleine!

Ich bin daher fest davon überzeugt, dass zumindest jene Länder, die sich ökonomisch ähnlich sind, sich noch mehr zusammenschließen müssen. Gerade die Flüchtlingskrise zeigt ganz klar auf, dass wir ein gemeinsames Grenzmanagement brauchen und gemeinsame Sicherheitsorgane – genauso wie natürlich auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, eine gemeinsame Währung und eine gemeinsame Wirtschaftspolitik nur Vorteile für uns bringen.

Wenn es nicht möglich ist, 28 Staaten von dieser offensichtlichen Tatsache zu überzeugen, dann bin ich dafür, dass eben weniger Länder gemeinsam vorangehen. Der Erfolg ist ihnen sicher!

***Update am 22.03.2016: Die heutigen Terroranschläge in Brüssel sind von den Terroristen eindeutig als Anschlag auf ganz Europa gedacht. Wir sind gemeinsam angegriffen worden und wir werden uns gemeinsam verteidigen müssen! Umso mehr Staaten sich dabei zusammentun, umso größere Freiheit im Inneren werden wir durch den gemeinsamen Schutz der Außengrenzen weiterhin genießen können. Wenn jeder Staat alleine versucht, die Sicherheit seiner Bürger sicherzustellen, dann wird der Preis dafür wesentlich höher sein. Finanziell und auch im Hinblick auf nötige Einschränkungen der individuellen Freiheit! Wir brauchen jetzt mehr denn je eine wirkliche, gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, eine gemeinsame Europäische Polizei!***